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Die wichtigsten Faktoren um gesund alt zu werden. Interview mit Dr. Christian Matthai

Das Interview führte Emanuel Ch. Ziegler, Gründer von SPORTBIONIER

Herr Dr. Matthai, Sie sind Gynäkologe, Hormonspezialist, Ernährungs-, Sport- und Vitalstoffmediziner. Darüber hinaus schreiben Sie Bücher, halten Vorträge, trainieren mehrmals wöchentlich, engagieren sich in diversen Sozialprojekten und erleben privat auch noch Familienabenteuer mit Ihren Liebsten. Wie können Sie dauerhaft so viel Energie aufrecht erhalten und gleichzeitig so entspannt wirken? Was ist Ihr Geheimnis?

*lacht* Eine schöne Frage. Ich glaube, dass das bei mir auf viele Faktoren zurückzuführen ist. Der Sport spielt jedoch eine ganz zentrale Rolle. Ich profitiere immens von körperlicher Betätigung und ich empfinde Sport überhaupt nicht als Belastung. Ich trainiere 6x die Woche. Sport ist für mich ein guter Ausgleich zur beruflichen Beanspruchung. Die Entspanntheit ist ebenfalls ein zentraler Teil meines Lebens und diese kommt mit meinem zunehmenden Lebensalter. Zusätzlich bin ich ein sehr strukturierter, konsequenter und ehrgeiziger Mensch. Das heißt, ich habe einen ganz konkreten Tagesablauf und den verfolge ich akribisch. Trotz viel Arbeit entsteht dadurch relativ wenig Stress.

Das hört sich tatsächlich wie ein Erfolgsrezept an. Wie sieht so ein typischer Tag bei Ihnen aus?

Damit mein Morgen nicht hektisch beginnt, starte ich meinen Tag mit frühem Aufstehen. Das empfehle ich auch vielen Patienten. Gerade jenen, die sagen, dass sie für Frühstück keine Zeit haben. Ein wenig früher aufzustehen, bringt viel Entspannung mit in den Tag. Nach dem gemeinsamen Frühstück mit meiner Familie, fahre ich zur Arbeit und bin meistens schon eine dreiviertel Stunde vor der Öffnung meiner Ordination vor Ort, um mich in Ruhe auf den Tag vorbereiten zu können. Ich lasse auch nichts an Arbeit anstehen. Ich schiebe nichts auf. Am Ende des Tages, nach dem Sport, kommt der Tagesabschluss, bei dem ich einerseits den Tag reflektiere und auch überlege, was für den nächsten Tag wichtig ist. Ich gehe relativ früh ins Bett. Sport und Beruf brauchen viel Erholung, daher bin ich allerspätestens um 23 Uhr im Bett, um auf mindestens 7 Stunden Schlaf zu kommen.

Würden Sie meinen, dass man genauso viel Konsequenz und Disziplin braucht, um sich gesund zu ernähren?

Nein, denn schlussendlich geht es darum, dass das Verhalten zu einer automatischen und somit zu einer gesunden Gewohnheit wird. Wichtig in diesem Fall ist auch ein Grundwissen über Ernährung, um nicht in die vielen Ernährungsfallen zu tappen. Die Wahrscheinlichkeit, dass man nach einem Supermarkteinkauf mit ungesunden Lebensmitteln nach Hause kommt, ist sehr groß.Die Unwissenheit und die Zeitnot erhöhen nochmals die Wahrscheinlichkeit, dass man sich ungesund ernährt.

Ich nehme wahr, dass für viele das Thema „Gesunde Ernährung“ verwirrend ist. Häufig höre ich Aussagen wie „Jeder Arzt sagt was anderes“. Hinzu kommt, dass Ernährungsbücher oft in einem wissenschaftlichen Deckmantel daher kommen, um fundiert und seriös zu wirken. Was ist Ihr Fazit?

Meine Grundbotschaft lautet, dass richtige Ernährung etwas sehr individuelles ist: Wir verdauen alle unterschiedlich. Wir haben unterschiedliche Geschmäcker. Jeder sollte seinen Weg finden, indem man Dinge ausprobiert und so herausfindet, was einem gut tut und was nicht.Es gibt natürlich einen roten Faden und Basissäulen, an denen man sich orientieren kann, wie zum Beispiel viel Gemüse, Obst, gesunde Fette, wenig Fleisch, wenig Zucker, wenig Alkohol. Das ist nichts Neues und auch nicht aufregend. Viele sind an extremen und neuartigen Diätformen interessiert. Doch meistens ist der neueste Trend nicht die geeignete Art der Ernährung. Es bedarf eines gewissen Interesses und einer Zeitinvestition, um herauszufinden, was mir gut tut und was ich davon auch in der Praxis umsetzen kann. Die beste Empfehlung bringt nichts, wenn sie nicht praxistauglich ist.

Herr Dr. Matthai, haben Sie für sich ihre gesunde Ernährung gefunden?

Ich weiß was mir gut tut und was mir nicht gut tut. Ich vertrage z.B. Fruchtzucker schlecht, daher esse ich wenig Obst. Daher muss ich leider eine große und gesunde Lebensmittelgruppe ausschließen. Gesund heißt für mich somit auch, dass ich nicht immer alle Lebensmittel integriere, die potentiell gesund sein könnten. Ich hab meine gesunden Lebensmittel gefunden und ernähre mich sehr gesund. In der Familie essen wir selten bis nie Gebackenes oder Frittiertes. Wir leben nicht zuckerfrei, gehen aber sehr bewusst mit diesem Thema um. Ab und an gönne ich mir Sünden, die sich jeder gönnen sollte, weil der Genussfaktor auch wichtig ist.

Dr. Christian Matthai, Portrait

Das Mindset von Hormonexperte Dr. Christian Matthai:
Reflexion und Mäßigung.

Meine Frau Jacqueline war nach der Geburt unseres 3. Kindes mit ihrem Körper sehr unzufrieden, weil sie sich nach einem schlanken und straffen Körper sehnte. Ich kann mir vorstellen, dass Sie als Gynäkologe mit diesen Gewichtssorgen bzw. dem Wunsch eines schönen Körpers täglich zu tun haben. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht, wie es gelingt einen gesunden Körperfettanteil zu erreichen und diesen dann auch zu halten?

Das ist tatsächlich ein sehr präsentes Thema – von der ganz jungen Frau bis hin zur Frau in der Post-Menopause. Es ist nicht nur die Auswirkung der Anti-Baby-Pille auf das Gewicht, sondern es gibt auch viele Hormonstörungen, die durch Übergewicht erst entstehen. Die größte Problemgruppe sind Frauen im Wechsel. Da ändert sich nicht nur die Körperzusammensetzung, sondern auch der Hormonhaushalt. In fast allen Fällen kommt es dadurch zu einer Gewichtszunahme.Ich bemühe mich meine Patientinnen ganzheitlich zu unterstützen und zu betreuen. Das reicht von einer Ernährungsberatung bis hin zur Unterstützung mit Hormonen. Manchmal empfehle ich auch sehr strikte Diäten. In manchen Lebensphasen ist es notwendig, die Kalorienzufuhr deutlich zu reduzieren, um eine Gewichtsabnahme zu ermöglichen.Wenn das gelingt, ist die nächste Herausforderung das Gewicht dann auch zu halten. Ich versuche meinen Patienten klar zu machen, dass eine Diät initial notwendig ist, um Gewicht zu verlieren, aber letztlich muss man zu einer Ernährung finden, die man sein Leben lang durchziehen kann und will. Viele Menschen machen Diäten und denken nur kurzfristig. Wenn man nach 8 Wochen sein Gewichtsziel erreicht hat, dann ist man nicht am Ziel. Denn dann geht es erst los! Man sollte sich eine Diät zurecht legen, die man gerne den Rest seines Lebens einhält.

Welche Rolle spielen Proteine beim Abnehmen und beim Halten vom Wunschgewicht?

Ich hab die Erfahrung gemacht, dass Frauen oft zu wenig Eiweiß zu sich nehmen. Gerade bei einer kalorienreduzierten Diät sind Proteine sehr wichtig, weil sonst die Muskelmasse verloren geht. Oft werde ich dann gefragt: „Soll ich mehr Fleisch essen?“ Nein, denn grundsätzlich ist es ratsam, wenig Fleisch zu essen, aber wir müssen dafür sorgen, dass die Eiweißzufuhr stimmt. Manche mögen gewisse Proteinquellen wie Fisch, Meeresfrüchte oder Sojaprodukte nicht und somit fällt schon einiges weg. Aus diesem Grund bin ich auch ein Fan von Proteinshakes geworden – sie machen die Eiweißaufnahme so unkompliziert. Speziell in Diätphasen kann man damit sehr leicht auf eine gewünschte Eiweißmenge kommen. Hinzu kommt der sättigende Effekt, der vom Eiweiß ausgeht.

Neben einer naturbelassenen Ernährung und einem aktiven Lebensstil ist auch die Erholung, die Regeneration, … kurz die Abwesenheit von Stress nicht nur wichtig beim Abnehmen, sondern auch essentiell um Trainingsfortschritte zu machen. Welche Tipps haben Sie, um mit dem Thema Stress besser umzugehen?

Die Idee „Stress zu meiden“ ist für 99% komplett utopisch. Ich mag den Satz: „Lassen sie sich nicht stressen“ nicht, weil Stress muss nicht unbedingt schlecht sein. Wir leben in einer Zeit, wo wir fast alle täglich in Stresszustände kommen. Das ist nicht das Problem. Es ist die Dis-Balance zwischen Anspannung und Entspannung. Wenn diese Balance gekippt ist, geht das an die Substanz des Körpers. Wenn das zu lange bestehen bleibt, werden wir krank. Ich versuche selbst mit Stress gut umzugehen oder diesen zu kompensieren und empfehle das auch meinen Patienten: Etwa über den Sport, über die Ernährung und auch, ganz bewusst, über die Zufuhr mit Nahrungsergänzungen. Trotz meiner 60-65 Arbeitsstunden pro Woche und fast täglichem Sport, habe ich nicht das Gefühl, dass mir die Luft ausgeht. Man muss ein Bewusstsein dafür entwickeln, wann man einen Gang zurückschalten muss. Es ist äußerst ratsam sich in Mäßigung zu üben und im Maß halten können diszipliniert ist. Beispielsweise habe ich nie einen Vollrausch. Ich trinke ab und an gern ein Achterl Wein, aber ich vermeide große Mengen von Alkohol, weil das sonst das gesamte Konstrukt ins Wackeln bringt. Gerade während der Arbeitswoche darf eine gewisse Alkoholmenge nicht überschritten werden, weil sich das sonst auf die Erholung und Regeneration auswirkt und somit die eigene Balance gefährdet ist. Ganz ähnlich ist es beim Schlaf. Ich gehe wochentags niemals spät in der Nacht ins Bett. Das ist mir heilig.

Wissen und Umsetzung sind leider zwei unterschiedliche Dinge. Auch, wenn man viel weiß, heißt das leider noch lange nicht, dass einem die Umsetzung gelingt. Haben Sie Tipps dazu?

Wichtiger als das Wissen, ist das Reflektieren und das mit sich selbst beschäftigen. Darauf achten: Was tut mir gut und was tut mir nicht gut? Ich bekomme beispielsweise aufgrund des aktuellen Trends öfter die Frage gestellt, ob es denn Sinn macht auf Gluten zu verzichten. Ich rate meinen Patienten dann es einfach auszuprobieren und herauszufinden, was dann passiert. Es gibt viele die lassen Gluten einfach pauschal weg ohne sich darüber Gedanken zu machen, welche wertvollen oder genussvollen Lebensmittel dadurch wegfallen und ohne darüber zu reflektieren, was das Ziel oder der Nutzen des Verzichts sein könnte. Die allermeisten berichten dann übrigens, dass sie nach einem Glutenverzicht keine nennenswerten Veränderungen feststellen konnten. Man muss einfach ein wenig reflektieren, sich mehr mit dem eigenen Körper und mit der eigenen Seele beschäftigen, dann kann man relativ schnell und zuverlässig erkennen, was ist für mich gut geeignet und was soll ich lieber meiden. 

Herr Dr. Matthai, Sie sind auch Anti-Aging Experte. Was sind Ihrer Meinung nach die größten und wichtigsten Faktoren, um gesund alt zu werden?

Im Rahmen eines meiner Bücher habe ich meine Großmutter interviewt, die jetzt im Juli 100 Jahre alt wird. Leider konnte sie mir keine klare Anleitung geben, wie man so alt wird. Doch nach allem, was ich persönlich herausgefunden habe, gibt es zwei Faktoren, die womöglich den größten Einfluss darauf haben, wie man gesund alt wird:

  1. Schlank sein und schlank bleiben. Trends, wie das intermittierende Fasten oder auch längere Fastenperioden, in denen man wenig Kalorien zuführt, sind für die Erneuerung und Verjüngung der Zellen (Autophagie) eine wertvolle Sache.
  2. Auf der anderen Seite: Balance im Leben finden.

Meine Großmutter hat etwas gemacht, das wenig Menschen machen: Sie betet jeden morgen um 5 Uhr für etwa zwei Stunden und das seit mindestens 50 Jahren. Das ist für sie so etwas wie Meditation. Dabei geht sie in sich und ist ungestört. Meditation ist ja, wie wir wissen, ein großartiges Werkzeug um Stress abzubauen und die Balance wieder herzustellen. Neben körperlicher Betätigung, dem Vermeiden von Rauchen, Alkohol, und Zucker, sind das Halten eines geringen Anteils an Körperfett kombiniert mit bewussten Fastenzeiten, sowie das tägliche Streben nach Balance zwischen Be- und Entspannung die wichtigsten Faktoren um möglichst lange gesund zu bleiben.

Nun zur letzten Frage: Was ist Ihrer Meinung nach im Bezug auf das Thema Gesundheit DER Faktor, der von den allermeisten Menschen unterschätzt wird und daher zu wenig Aufmerksamkeit bekommt?

Die meisten Menschen unterschätzen die Wirkung der Nahrung, die wir Tag für Tag in uns aufnehmen und verstoffwechseln. Ich animiere meine Patienten dazu, sich bewusst mit dem Thema Ernährung auseinander zu setzen. Nehmen Sie sich Zeit, gehen Sie in den Supermarkt und schauen Sie sich die Zutatenliste der Produkte, die Sie regelmäßig konsumieren, ganz genau an. Überlegen Sie sich gut, ob Sie dieses Produkt mit all dem, was darin enthalten ist (vielleicht Zucker, Farbstoffe, Geschmacksverstärker, künstliche Aromen, etc.) dauerhaft und regelmäßig zu sich nehmen wollen. Machen Sie sich Gedanken darüber, was Sie jeden Tag mehrmals oft unbewusst in sich hineinschaufeln. 

Herr Dr. Matthai, vielen Dank für das Gespräch.